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Die OBWahlChemnitz-Kandidat:innen im Überblick — Eindrücke einer Podiumsdiskussion

5 min readAug 28, 2020

Gestern war Podiumsdiskussion der Chemnitzer OB-Kandidat:innen und ich war dabei. Also im Publikum. Weil ich dazu zwar viel getwittert habe, aber immer objektiv geblieben bin, kommt hier mein subjektiver Blick auf den Abend und die Kandidat:innen.

Gemeinsam mit Ulrich betreibe ich den Twitteraccount @wahlinchemnitz. Dort sammeln wir alles, was man wissen muss, um bei der #OBWahlChemnitz mitreden zu können. Das heißt, wir kuratieren Artikel über die Kandidat:innen und relevante Infos, damit sich jeder ein Bild machen kann und sich eben nicht alles allein von überall her aufschnappen muss. Außerdem bringen wir ab und zu unsere eigenen Kompetenzen ins Spiel. Blicken auf vergangene Wahlergebnisse, betrachten die einzelnen Stadtteile soziodemographisch oder analysieren die Social Media Aktivitäten der Kandidat:innen. Klarer Fokus: Sammeln und aufbereiten. Eine Meinung, unsere Meinung, steht nicht im Vordergrund und eigentlich auch nicht einmal im Hintergrund.

So nahm ich gestern an der Podiumsdiskussion des Industrievereins teil, um für @wahlinchemnitz zu berichten:

54 Tweets und 2 Stunden später glühten die Finger. Einen Eindruck zu den Kandidat:innen konnte ich mir auch bilden. Auch eine Meinung. Und weil die sich für diesen Twitteraccount nicht eignet, kommt sie hier. Also ein ganz subjektiver Blick auf den Abend

Patt vor Zschocke vor den anderen

Positiv aufgefallen, mir im Kopf absolut hängengeblieben, sind eigentlich 2 Kandidat:innen: Almut Patt von der CDU und Volkmar Zschocke von den Grünen.

Almut Patt hat es so ziemlich in ihrer kompletten Redezeit geschafft, argumentativ das höchste Niveau der Personen des Podiums zu erreichen. Jede Antwort war klar aufgebaut und hatte einen roten Faden. Sie wusste immer, wo sie hin will. “Der kann man gut zuhören” wäre jetzt das schlichte Fazit. Inhaltlich zeigte sie sich zudem weniger konservativ, als auf ihren Plakaten. Und auch ein bisschen zu wenig konservativ für ihre Partei. Die Spaltung der Stadt hat sie sogar so klar benannt, dass Susanne Schaper von den Linken ihr Statement unterschreiben würde:

Auch der Boss Move des Abends kam von Almut Patt: Die Frage nach dem Umgang der Stadt mit der Digitalisierung beantwortet sie damit, dass sie als erstes Lars Faßmann zum Berater machen würde. Im Nachsatz schob sie noch hinterher, dass sie jetzt Spaß bei Seite sagen könnte, es ja aber gar kein Spaß gewesen wäre. Kompliment und den Gegner in seine Schranken weisen in einem.

Gefühlter zweiter Sieger des Abends ist Volkmar Zschocke von den Grünen. Auch er war argumentativ auf einem hohen Niveau unterwegs. Besonders hängen geblieben ist seine Antwort auf Ulrich Oehme (AfD), der eigentlich gar keine Spaltung in Chemnitz wahrnimmt, “wenn ich durch die Stadt gehe und im Facebook die Gruppen anschaue”.

Das brachte ihm zwar keinen direkten Applaus ein — dafür waren wahrscheinlich zu wenig junge, linke Gäste da — aber das ist unser Tweet, mit den meisten Interaktionen des Abends. Apropos Applaus. Zschocke war auch der erste, der überhaupt Zustimmung aus dem Publikum für eine Aussage bekommen hat:

Seine wirtschaftspolitischen Einstellungen heben sich auch von denen der anderen Kandidat:innen ab. Allerdings auch nicht so sehr, wie man es von einem Grünen erwarten könnte. Stellt Almut Patt das Konservative nicht so stark in den Vordergrund wie man vermuten würde, so tut dies Volkmar Zschocke in einem ähnlichen Maße für die Ur-Themen der Grünen. Nachhaltig, modern, mit Blick auf die Menschen — auf jeden Fall. Schlagwörter wie Klimakrise oder Umweltschutz fallen an diesem Abend nicht (aufmerksame Zuhörer der Debatte bitte ich hiermit um korrigierende Zuschriften). Wie so ein klassisches Schwarz-Grün, bei dem sich beide annähern, ohne ihren Kern zu verraten.

Die anderen: Solide bis farblos

Sven Schulze von der SPD (und der FDP) kam gestern nicht ganz so zur Geltung, wie er es sich vielleicht erhofft hat. Solide, aber nicht herausstechend — so könnte man es zusammenfassen. Eventuell ist es aber auch seine Grundeinstellung, die er transportieren will. Solides Handeln auf einer soliden Finanzbasis und soliden Daten zur Entscheidungsfindung. So wie seine Antwort auf die Frage, welche Themen der Digitalisierung angegangen werden sollen:

Susanne Schaper von den Linken konnte meines Erachtens nach keine Akzente setzen. Auch sprachlich konnte sie gestern nicht mit Patt und Zschocke mithalten. Im Nachhinein fällt auf, dass sie viele konkrete Ideen hat, so wie diese:

Aber das große Ganze, die Vision, das Ziel, die Herausforderung — das fehlt an diesem Abend. Vieles ging wahrscheinlich auch unter im schwachen Aufbau ihrer Argumente.

Gleiches gilt für Lars Faßmann. Seine Kompetenz und die Bedeutung seiner Ideen wurde am deutlichsten durch das Jobangebot von Almut Patt. Gefühlt kommt er irgendwie nicht zum Punkt. Die 3 Minuten Redezeit waren häufig zu wenig, obwohl er nie diese Zeit überzogen hat. Wie die meisten der Kandidat:innen hat auch er viele gute Dinge gesagt — sie bleiben nur nicht hängen. Außer seine Beschreibung, worin er das Kernproblem der Verwaltung sieht:

Matthias Eberlein von den Freien Wählern kann definitiv mitspielen “bei den Großen”. Auch bringt er eigene Ideen mit. Die kann man nachdenkenswert oder aus der Zeit gefallen oder “out of the box”-gedacht finden. So wie die Anbindung und der Ausbau des Jahnsdorfer Flughafens:

Bei den meisten Themen geht er in Richtung der anderen demokratischen Parteien, ab und zu wird es allerdings sehr AfD-lastig bei ihm. Zum Beispiel wenn er bei der Frage nach der Internationalität der Stadt findet, dass “wir immer über die guten Seiten reden. An das Thema Drogenhandel durch jugendliche Intensivtäter müssen wir auch ran”.

Und die AfD in Person von Ulrich Oehme? Die scheint tatsächlich öfter bei Eberlein durch als bei Oehme selbst. Außer an 2 Stellen: Beim bereits erwähnten “Wenn ich durch die Stadt gehe und im Facebook die Gruppen anschaue, sehe ich keine Spaltung.” (Was soll er auch anderes sagen, wenn er den Spieß nicht umdrehen und auf die Linken zielen will) und bei einem Redebeitrag, den er eigentlich schon abgeschlossen hat, aber am Ende doch nicht anders kann.

Dieser Aussage schickt er folgende hinterher, als würde es ihm unter den Nägeln brennen und müsste noch raus:

Mehr AfD gab es nicht, so wie auf seinen Plakaten und sonstigen Auftritten. Vielmehr scheint er seinen Fokus auf den älteren Teil der Stadt zu legen. Digitalisierung muss für die Älteren einfach sein, Rentner sollen in Schulen ihre Erfahrung weitergeben und ein unterschwelliges früher war alles besser oder zumindest nicht alles schlecht. Das Kalkül dahinter könnte sein, die Stimmen der typischen AfD-Wähler sowieso zu bekommen und den anderen Parteien bei den Rentnern ein paar Wähler zu nehmen. Gut ist das nicht. Denn betrachtet man seine Vita, seine vorherigen Äußerungen und seine Zuordnungen zum rechtsnationalistischen “Flügel” der AfD, kann es sich nur um einen Wolf im Schafspelz handeln.

Und jetzt?

Wer sich wirklich einen Eindruck zur Person, zu Einstellungen und Abgrenzung zu anderen Parteien verschaffen will, sollte sich so einen Abend gönnen. Die Aufzeichnung der Diskussion ist auf der Website des Industrievereins auch noch abrufbar. Weitere Podiumsdiskussionen folgen.

Wie viel Einfluss ein solcher Abend auf die Wahlentscheidung der ganzen Bevölkerung hat? Schwer zu sagen. Denn die meisten werden im ganzen Wahlkampf kein einziges Mal in direkten Kontakt mit den Kandidat:innen kommen und ihre Entscheidung wohl aus Tradition, Trotz, Bauchgefühl oder Gleichgültigkeit treffen. Schade eigentlich.

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Falk Sieghard Gruner
Falk Sieghard Gruner

Written by Falk Sieghard Gruner

Influencer in ganz Chemnitz Nord 💥 ||| Ausgewachsener Teenager 🤷‍♂️ ||| Social Media und Content Marketing Consultant 💡

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